Testbericht: MyST Audio Izophones-30

Izophones-30_Blog_06Die russische Firma MyST Audio ist in Westeuropa so gut wie unbekannt. Mit ihrem neuesten isodynamischen Hörer konzentriert der Hersteller sich auf das Wesentliche: Den Klang. Dass das Aussehen bei einem Kopfhörer auch nebensächlich sein kann, das zeigen die Izophones-30 (s) eindrucksvoll im ausführlichen Test.

 

Eigentlich existiert der Name MyST ja schon seit 2010. Damals konzentrierte sich die Firma aber primär auf die Kombination aus DACs und Kopfhörerverstärker. An sich nichts weltbewegendes, hätte sich der Hersteller nicht auf die Fahnen geschrieben, kompromisslose Klangqualität zu einem vergleichbar niedrigen Preis anzubieten. Dabei gehen sie sogar so weit, um auf marketingtechnisch relavante Dinge, wie dem Äußeren eines jeden technischen Produkts weniger Aufmerksamkeit zu schenken. Interessant wurde es 2014, als die Firma sich entschloss, auch magnetostatische Kopfhörermodelle anzubieten. Darunter die beiden Izophones-30 und 30s. Genau diese Kopfhörer sollen durch einen ausführlichen Testbericht etwas mehr Aufmerksamkeit erfahren, denn das haben sie sich, zumindest klanglich auf jeden Fall verdient.

Optik/Haptik und Lieferumfang

Äußerlich erinnern die beiden russischen Boliden nämlich tatsächlich ein wenig an Zeiten, als die Materialwahl und -qualität noch vor dem Design stand. Ein eher spartanischer Anblick bietet sich einem beim ersten Hinsehen sowohl beim Gehäusedesign als auch der Aufhängung des Kopfbandes. Alles deutet auf eine möglichst stabile und langlebige Verarbeitung hin. Dabei wird schon gern mal auf Designelemente, wie ein Schriftzug des Herstellers oder Holzapplikationen vergessen. Nimmt man nun den Kophörer – sowohl Izophones-30 als auch 30s unterscheiden sich rein Äußerlich fast überhaupt nicht – in die Hand, fällt einem das relativ hohe Gewicht auf. Das trägt einerseits noch zusätzlich zu der Unzerstörbar-Optik bei, andererseits wird aber gleichzeitig auch ein etwas weniger langzeittauglicher Tragekomfort suggeriert.

Dank komplett aus Aluminium gefertigten Kopfhörerschalen machen die Izophones den Eindruck, als wären sie für die Ewigkeit gebaut. Einzig und allein die Tatsache, dass es sich hier um größtenteils unbehandeltes Metall handelt, ohne einer schicken Lackbeschichtung oder ähnliches, lässt den Kopfhörer dann doch etwas lieblos designed wirken. Bekanntlich zählen aber hauptsächlich die inneren Werte, und dort können sich die Izophones auf jeden Fall sehen lassen.

Im Lieferumfang enthalten sind neben den eigentlichen Kopfhörern auch noch ein abnehmbares,  1,5 Meter langes Kupferkabel. Dieses ist geflochten und sehr dünn. Durch die silberbeschichtung soll die Stromflusskapazität aber die gleiche sein wie bei einem wesentlich dickeren. Mit dem Kopfhörer verbunden wird das Kabel über zwei 3,5 mm Mono-Klinkenstecker. Am anderen Ende sitzt eine Stereo-Klinke mit ebenfalls 3,5 mm Durchmesser.

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versilbertes Kupferkabel mit 3.5 mm Mono-Klinkenstecker an jeder Seite

Was den Tragekomfort anbelangt, so sind die Izophones 30 ein zweischneidiges Schwert. Setzt man sich den Hörer das erste Mal auf den Kopf, macht sich sofort das relativ hohe Gewicht von 670 Gramm bemerkbar. MyST versucht dies mit einem sehr angenehmen Kopfband halbwegs wieder auszugleichen, was bei längeren Hörsessions leider auch nicht über das Ermüdungsgefühl im Nacken hinwegtäuschen kann. Nichtsdestotrotz sitzen die Izophones-30 gut am Kopf, ohne irgendwo zu drücken etc. Interessant dabei ist, dass die Izophones-30s trotz gleicher Konstruktion einen wesentlich höheren Anpressdruck boten, was zwar dem Headbangen wärend den Rockpassagen in einem Lied förderlich ist, aber nach einiger Zeit merklich Kopfschmerzen verursachen kann.

Technik

Im Inneren der Hörer befindet sich Technik, die in den letzten Jahren unter anderem durch HifiMan oder Audeze wieder in Mode gekommen ist. Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich hierbei um Kopfhörer mit isodynamischem Funktionsprinzip. Bei dieser Arbeitsweise wird eine sehr dünne Metallfolie mit elektrischen Leiterbahnen, die entweder schneckenförmig oder parallel aufgebracht sind, versehen und zwischen zwei starr verbaute Magnetreihen gelegt. Durch die jeweils angelegte Spannung fängt die Folie zum Schwingen an und erzeugt somit den Schall bzw. den Klang. Der Wirkungsgrad bei einem Solchen Funktionsprinzip ist bauartbedingt nicht so hoch, wie man es etwa von einem „normalen“ dynamischen Kopfhörer gewohnt ist. Ein potenter Kopfhörerverstärker als Antrieb wird deshalb in den meisten Fällen trotz der geringen Impedanz von lediglich 30 Ohm (Kennzeichnend dafür dient die 30 im Namen) empfohlen. Die Empfindlichkeit wird mit 108dB angegeben, was für einen isodynamischen beziehungsweise magnetostatischen Hörer als durchaus sehr hoch angesehen werden kann. Allerdings gibt MYsT nicht an, bei welcher Frequenz dieser Wert gemessen wurde. Das Frequenzspektrum reicht theoretisch von subsonischen 8Hz bis hin zu 20KHz.

Von den Izophones-30 gibt es seit einiger Zeit auch eine Version (30s), bei der die Folie mit den Leiterbahnen nicht so stark gespannt ist, wie die der Standardversion. Durch diese Änderung soll laut Hersteller ein anderer Klangcharakter erreicht und so der Hörer auch für ein breiteres Publikum schmackhaft gemacht werden. Tatsächlich machen die Izophones 30s mit gewissen Genres etwas mehr Spaß, können dafür bei anderen wieder nicht so überzeugen wie der auf Seite 2 folgende Klangtest zeigt.

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Metallgitter mit Magneten/Folie mit Leiterbahnen

Klang

Als Kopfhörer mit magnetostatischem bezwiehungsweise isodynamischem Arbeitsprinzip erwartet man natürlich vom Wirkungsgrad nichts besonderes. Umso mehr verwundert es, dass die Izophones in gewisser Weise wirkungsgradstark sind. Nicht übermäßig, sodass man sie am Smartphone oder dergleichen betreiben könnte, aber immerhin lauter als vergleichbare Kopfhörer mit dynamischen Treibern. Zum Vergleich dient hier unter anderen ein Beyerdynamic DT880 600 Ohm, der natürlich durch die hohe Impedanz etwas in der Lautstärke abfällt, trotzdem aber noch mehr Pegel beisteuert als z.B. ein Audeze LCD-2.

Den Anfang macht bei mir wie immer das Jazz-Genre. Das vom leider nicht mehr existente Esbjörn Svensson Trio geschriebene Stück „Mingle in the Mincing-Machine“ macht exzessiven Gebrauch von Hi-Hats und Becken. Diese können bei einer Aufnahme mit dem falschen Kopfhörer schnell nervig und hart wirken und somit den Musikfluss stören. Anders bei den Izophones-30. Trotz sehr detaillierter, leicht betonter Höhenwiedergabe, fallen weder die dynamisch gespielten Becken, noch der kräftige Anschlag der Snare-Drum negativ ins Gewicht. Dabei bleiben aber auch die übrigen Instrumente, wie Klavier oder auch die Bassbegleitung stehts gut wahrnehmbar ohne sich gegenseitig überdecken zu wollen. Auch bei ein wenig experimenteller, elektronischer Musik fühlt sich der russische Bolide sichtlich wohl in seiner Rolle als präzises Wiedergabeinstrument. Das ukrainische Soloprojekt r.roo geizt bei seinen Liedern nicht mit Glockenklängen und sibilanten Soundpassagen. Es wirkt beeindruckend, mit welcher Leichtigkeit sich die Izophones-30 über höhenlastige Passagen bewegen ohne anstengend oder gar ermüdend zu wirken, wie die Wiedergabe des Liedes „Schutz 1648“ ,  das vom 2013 erschienenen Album exist stammt, verdeutlichen kann.

Die Mitten der Izophones-30 werden im Vergleich zu den Höhen ein wenig zurückgenommen dargestellt. Es handelt sich aber hierbei nur um Nuancen, denn der neutrale bis leicht helle Grundcharakter des Kopfhörers bleibt weitestgehend erhalten. Die Detailauflösung kann auch hier überzeugen und bildet die Eigenarten einer jeden Stimme ab, sei es jetzt die exzentrische Karin Dreijer Andersson von The Knife oder die sonore, rauchige Stimme eines Johnny Cash. Der etwas helle Klangcharakter verleiht dem jeweiligen Interpreten vielleicht eine etwas flachere Wiedergabe, als einem bei manchen Genres lieb wäre, kann dafür aber wiederum mittenlastigere Aufnahmen, wie etwa dem ebenfalls 2013 erschienenen Album recto verso von Zaz ins rechte und perfekt gesoundete Licht bringen. 

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Izophones-30 (rechts) vs. Beyerdynamic DT 880 600 Ohm (links) am Benchmark DAC-1

Was mich aber bei dem Kopfhörer aus russischer Fertigung ebenfalls sehr beeindruckte, ist die Bassleistung. Kennt man von dynamischen Hörern oft einen unteren Frequenzbereich, der im Ober- bis Midbass etwas buckelig daherkommt und dann in Richtung Tiefbass hin mehr oder weniger stark abfällt, ist bei magnetostatischen Hörern meist der Frequenzgang von den Mitten bis in den Tiefbass geradlinig ohne einen Bereich zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Genau das schaffen auch die Izophones-30. Aber die Hörer schaffen nicht nur keinen Tiefbassabfall zu liefern, sondern gehen im unteren Frequenzspektrum auch überaus trocken zu Werke. Dadurch werden z.B. Chelli, wie das von Dan Berglund wesentlich konturierter und präziser gezeichnet, als es z.B. bei einem Beyerdynamic DT880 oder ähntlichen dynamischen Vertretern der Fall ist. Durch die hellere Abstimmung erfahren auch tiefere Klaviertöne ein größeres Obertonspektrum und wirken dadurch nicht so gedämpft, wie es ein Audeze LDC-2 (erste Generation) oft erscheinen lässt.

Das wirklich herausragende Merkmal der Izophones-30 ist aber die Bühne. Der Kopfhörer bietet eine enorme Räumlichkeit, sowohl was die Raumbreite als auch -tiefe angeht. Konzertaufnahmen, wie Dvoraks Neunte mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan erhielten mit den Izophones ein wirklich bombastisch gezeichnetes Raumbild des Konzertsaales. Dabei wird aber keineswegs die Ortbarkeit vernachlässigt oder Instrumente an der falschen Stelle im Raum abgebildet, wie es häufig bei anderen Kopfhörern erkauft wird. Dass die Bühne aber nicht unrealistisch übezeichnet wird, kann man mit the peeling sessions von PJ Harvey gut nachvollziehen. Die Wohnzimmeratmosphäre dieser Aufnahme bleibt hier weitestgehend erhalten.

Ein ebenfalls nicht zu vernachlässigender Faktor ist, dass man mit den Izophones durchaus auch leise hören kann, ohne all zuviel von den Klangdetails zu verlieren. Dies zeugt von einer hohen feindynamischen Leistung, die bei nicht vielen magnetostatischen Kopfhörern anzutreffen ist. dunkler abgestimmte Hörer, wie die erste Generation von Audeze-Kopfhörern benötigen eine gewisse Grundlautstäörke um aufblühen zu können.

Vergleich mit den Izophones-30s
Neben den Myst Audio Izophones-30 wurde mir auch noch eine nahezu baugleiche Variante der Kopfhörer zum Test zur Verfügung gestellt. Die mit einem „s“ im Namen gekennzeichnete Version der Izophones haben den einzigen Unterschied, dass die Membran zwischen den Magneten etwas weniger straff gespannt wurde. Diese kleine Änderung bewirkt aber zumindest im Klang einiges.

Izophones-30+30s_Blog
Izophones-30 (links vorne), Izophones-30s (rechts hinten)

So Verändert sich die Präsentation besondern im Mitten- und Hochtonbereich. Hatte ich bei rockigem Musikmaterial bei den Izophones-30 immer leicht den Eindruck, dass z.B. Gitarren etwas leblos und mit wenig Klangfarbe wiedergegeben wurden, ergänzen die Izophones-30s fetzigere Musik genau mit diesem etwas wärmer timbrierten Klangcharakter. Die Höhenwiedergabe stellt sich dabei aber je nach Musikrichtung als etwas tricky heraus. So kann der Hochton bei nanchem schlechter aufgenommenen Musikmaterial schnell etwas nervig wirken. Allgemein hatte ich den Eindruck, dass die Izophones-30s zwar dynamischer vorgehen, es aber mit längerem Hören die Langzeittauglichkeit abnimmt, sprich das Zuhören zunehmends anstrengender wird. Vielleicht ist das um einiges straffer sitzende Kopfband und der höhere Anpressdruck am Kopf auch ein bisschen schuld daran, was sich aber mit ein wenig Dehnübung wieder berichtigen lässt. Die Izophones-30s spielen etwas direkter als ihr Pendant ohne S. Dadurch nimmt auch die Räumlichkeit ab und die Bühne wird gleichzeitig kleiner und persönlicher.  Nichts desto trotz sind die Izophones-30s technisch genauso auf hohem Niveau angesiedelt, wie der Bruder. Für mich persönlich waren die klassischen Izophones-30 aber die klanglich angenehmeren und langzeittauglicheren Hörer.

Fazit

Die inneren Werte zählen. So zumindest ein allseits bekanntes Sprichwort. Mit den Izophones-30 ist dem Hersteller genau das gelungen. Einen innerlich vor Schönheit strahlenden Kopfhörer mit hervorragender Technik zu entwickeln, der darüber hinaus noch ein fantastisches Auflösungsvermögen besitzt. Von den tiefsten Frequenzen bis in die höchsten Höhen spielt der Hörer homogen und sauber. Kein Frequenzband sticht hervor, muss sich also nicht hinter einem aufgeblasenen Bass oder zu aufdringlichen Hochton verstecken. Trotz sehr tief hinabreichendem und trockenem Bass möchten die Izophones-30 eher zu der analytisch hellen als zu der dunklen, schönfärberischen Riege von Kopfhörern gezählt werden. Wer also einen tollen Kontrast zu dunkleren Zeitgenossen wie einem LCD-2 (pre-Fazor) oder dem Fostex TH-900 sucht, wird mit den Izophones-30 sicher fündig.

Eckdaten im Überblick:

  • Frequenzumfang: 8 bis 20000 Hz
  • Empfindlichkeit: 108 dB
  • Impedanz: 30 Ohm
  • Gewicht: 670 Gramm
  • Lieferumfang: Versilbertes, 1.5 Meter langes Kupferkabel, Kopfhörer
  • Garantie: 12 Monate
  • Preis: 990 US-Dollar
  • Website: myst.pro , beziehbar über mycroft.su
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Testbericht: MyST Audio Izophones-30

8.1666666666667

Optik/Haptik

7/10

    Tragekomfort

    8/10

      Klang

      10/10

        Pros

        • - hohe Detailauflösung
        • - phänomenale Räumlichkeit
        • - klanglich sehr ausbalanciert
        • - wechselbares Kabel
        • - sitzt bequem...

        Cons

        • - ...trotz hohem Gewicht
        • - spartanische Optik
        • - braucht leistungsfähige Verstärker